Ernst JÜNGER - Der vergessene Hannoveraner

 

Am 29. März 1985 wurde Ernst Jünger geboren – In Heidelberg. Doch seine tatsächliche Heimat war Hannover. In Hannover bevorzugt man es jedoch, sich nicht an den berühmten Schriftsteller und Philosophen zu erinnern.

 

Auch an diesem 29. März, dem 136. Geburtstag von Ernst Jünger wurde in Hannover nicht an den großen deutschen Schriftsteller erinnert. Zumindest nicht offiziell. Dabei ist seine Biographie, wie auch sein Werk, eng mit der niedersächsischen Landeshauptstadt verbunden. Mehr als die Hälfte seines fast 103 Jahre alten Lebens verbrachte Jünger in Hannover und Umgebung. In Hannover machte er seine ersten literarischen Schritte. Im Café Kröpcke lernte er seinen ersten Verleger kennen. Dennoch bevorzugt man es in Hannover, sich nicht an diesen großen Sohn der Stadt zu erinnern, denn der name Jüngers wird angefeindet. Die Ablehnung Ernst Jüngers durch den gegenwärtigen Zeitgeist beruht auf dessen als anti-demokratisch bezeichnetem Frühwerk, entstanden nach seinen Erfahrungen im Ersten Weltkrieg. Doch wer Ernst Jünger in eine Schublade steckt, macht es sich zu einfach. Ernst Jünger war Nonkonformist. Als solcher passt er nicht in einen Zeitgeist, welcher lediglich Persönlichkeiten ehrt, die man für die heutige Konjunktur gebrauchen kann.

 

 

 

 

 

Niedersachsens berühmtester Ausreißer

Zum Biographischen: Ernst Jünger wurde in Heidelberg geboren, verbrachte den Großteil seiner Kindheit jedoch in Hannover, der Heimat seines Vaters. Ab 1907 bewohnte die Familie Jünger eine Villa in Rehburg am Steinhuder Meer, wo Ernst Jüngers Vater als Unternehmer im Kalibergbau tätig war. Ein artiger Schüler war Jünger nicht, weswegen er von seinem Vater auf verschiedene Internate geschickt wurde. Schon als Knabe waren dem jungen Ernst Abenteuerromane und Ausflüge mit der Bewegung der Wandervögel lieber als Schulunterricht. Der daraus entstandene Appetit nach wirklichen Abenteuern bewegte Ernst Jünger 1913 von zu Hause auszureißen und in die französische Fremdenlegion einzutreten. Sein reales Alter von nur fünzehn Jahren verschwieg er bei der Musterung. Nach einem vergeblichen Versuch der Desertion musste ihn sein Vater mit Hilfe des Auswärtigen Amtes aus einem Gefängnis in Nordafrika befreien. Die väterliche Strafe bestand aus der Rückkehr ins Internaterneut nach Hannover.

 

Der Kriegerpoet

1914 brach der Erste Weltkrieg aus und Ernst Jünger meldete sich freiwillig zum hannoverschen Füsilier-Regiment Nr. 73 „Prinz Albrecht von Preußen“. In den Schützengräben begann sein   Mythos - Mehrmals wurde er verwundet, wurde Offizier, kommandierte Stoßtrupps und erhielt  1918 mit dem Pour le Mérite die höchste Auszeichnung, die das Deutsche Kaiserreich verleihen konnte. Von seinen Kriegserfahrungen zeugt die nüchterne, von seinen Kritikern als „ästhetisierend“ beschriebende, Darstellung des Krieges in seinem ersten und bis heute bekanntestem Werk „In Stahlgewittern“. Den Verleger dazu fand Jünger im Café Kröpcke, dem damals zentralen Treffpunkt für die kreativen Köpfe der Stadt Hannover. Es finden sich auch weitere Aufzeichnungen über Jüngers Zeit in Hannover nach dem Krieg. So war Ernst Jünger als Offizier der Reichswehr in den Kasernen am Waterloo-Platz stationiert und war an der Niederschlagung von Arbeiterunruhen, wie auch des sogenannten „Welfen-Putsches“ beteiligt. Damals wollte eine Gruppe lokalpatriotischer Offiziere aus alten hannoverschen Familien die Loslösung Hannovers von Preußen durchsetzen. Für Jünger, der das „Land in dem die norddeutsche Tiefebene auf die Mittelgebirge trifft“ als seine Heimat beschreibt, waren solche Bestrebungen nichts weiter als eine antiquierte Sentimentalität.

 

Germany´s Finest Dandy

Nach Aufenthalten in München und Berlin studierte Jünger Zoologie und Philosophie in Leipzig. Die Welt der Natur war für Jünger pure Faszination, wovon seine zahlreichen Werke zur Insekten- und Pflanzenkunde zeugen. Die Zwanzigerjahre sind jedoch auch die Jahre, die das Bild Jüngers als einen Antidemokraten und Anhänger einer nationalen Revolution prägen. Doch anfangs in Kontakt mit der noch jungen nationalsozialistischen Bewegung stehend, wandte sich Jünger frühzeitig abangewidert von dem die niedersten Instinkte des Menschen ansprechenden Herdeninstinkt.Schließlich wurde er zu dem, wofür ihn seine Kenner und Bewunderer schätzeneinem nonkonformistischen Freigeist.

 

Der elitäre Nonkonformist

Als die Nationalsozialisten 1933 an die Macht kamen, schlug der mittlerweile bekannte und populäre Schriftsteller jegliche Hofierungsversuche durch die neuen Machthabenden aus und ging in die innere Emigrationnach Goslar. Sein Konzept der inneren Emigration verarbeitete Jünger 1951 in seinem bekannten Essay „Der Waldgänger“. Trotzdem wurde der Freigeist Jünger den neuen Machthabern ein Dorn im Auge. Er wurde durch die Gestapo beschattet.

 

Als 1939 der nächste große Weltkrieg nahte, zog Ernst Jünger mit seiner Familie ins Dorf Kirchhorst bei Hannover, wo er eine Wohnung im dortigen Pfarrhaus bewohnte. Grund für den Umzug war sein Wunsch, im Falle des Krieges wieder in sein altes hannoversches Regiment eingezogen zu werden. Von Jüngers Aufenthalt in Kirchhorst zeugen seine als „Strahlungen“ veröffentlichten Tagebücher, wie auch ein heute noch zu sehendes, in eine Buche geritztes Autogramm.

Tatsächlich wurde Ernst Jünger bei Kriegsbeginn eingezogen. Als Besatzungsoffizier in Paris knüpfte er Kontakte zum militärischen deutschen Widerstand. Einen so bekannten und populären Schriftsteller konnten selbst die Nationalsozialisten nicht einfach beseitigen, weswegen Jünger 1944 lediglich aus der Wehrmacht entlassen wurde und nach Kirchhorst zurückkehrte. Von seinem  Fenster in Kirchhorst aus beobachte Jünger die Bombardierung Hannovers. Die brennende und zerstörte Stadt sind in seinem Tagebuch eindrucksvoll beschrieben. Im April'45 fiel auf Jünger die Bürde, das letzte Volkssturm-Aufgebot zu befehligen. Was für Jünger eine Bürde war, bewahrte das Dorf jedoch vor einer Zerstörung. Für Jünger stand die Unvermeidbarkeit der deutschen  Niederlange schon lange fest und er übergab Kirchhorst kampflos an die vorrückenden Amerikaner.

Als Persönlichkeit, die aktiv in den anti-nationalsozialistischen Widerstand involviert war, weigerte sich Jünger ein Entnazifizierungsverfahren zu durchlaufen. Ein Solches empfand er als  Demütigung, schließlich wäre er mit seiner offenen Opposition (siehe sein Roman „In den Marmorklippen“) selbst um ein Haar Opfer des Regimes geworden. Für diese Weigerung musste er, mit einem Publikationsverbot belegt, die britische Besatzungszone verlassen. Er ging in die französische Besatzungsszone, denn von den Franzosen wurde der erklärte Frankophile Jünger stets geschätzt. Bis zu seinem Lebensende lebte und schuf Ernst Jünger im schwäbischen Riedlingen.

 

Alles nur kein Mittelmaß

Ernst Jünger ist auch heute in Frankreich bekannter und populärer als in Deutschland. Teile seines Werkes sind Bestandteil der Pléiade, des französischen Kulturkanons. In Hannover will man sich jedoch nicht an den großen Sohn der Stadt erinnern. Nichts erinnert an Ernst Jünger, dabei ist die Stadtverwaltung doch gerade so aktiv, wenn es um Straßenunbennenungen geht. Wahrscheinlich werden die Straßen und Plätze der Stadt nur nach Persönlichkeiten benannt, die dem gegenwärtigen Zeitgeiste entsprechen. Für einen Nonkonformisten wie Ernst Jünger ist da kein Platz.

Eigentlich lächerlich, da die Stadt Hannover ja sonst so sehr über das Image der „Mittelmäßigkeit“ klagt. Ernst Jünger war alles – nur kein Mittelmaß. Wenigstens in Rehburg befindet sichverstecktein  kleiner Ernst-Jünger-Weg. Das Straßenschild ist von Laub überwachsen.