DIE PILNACEK-REMIXES

PICHLACEKS ENDE

Die russische Variante

Ein Kurzroman von Armin Prayner

 

[20. Oktober 2023, 08:52 Uhr]

„Boris, oni nas naidut, suka blyad! [Boris, sie werden uns finden, verdammt!]" „Ne ssi, Yuri! My v Avstrii! [Scheiß dich nicht an, Yuri! Wir sind in Österreich!]" „Fuck!", brachte es der Fahrer Dimitri auf den Punkt.

Sie legten sich allzu schnell in eine scharfe Rechtskurve beim Tennisplatz – dort, wo ihr Opfer eigentlich nächtigen wollte; im Haus, das seine Lebensgefährtin gemietet hatte –, jetzt krachte Dimitri mit der Stirn ins Lenkrad. Ungebremst. Bei 40 km/h.

Er fluchte – und wischte sich das Blut, das ihm in die Augen zu tropfen drohte, mit dem Handrücken breitflächig über die Stirn.

„Blyad!", trommelte Dimitri auf das Lenkrad, „vsyo iz-za etogo mudaka Pichlacek, kotoryy khotel vsyo rasskazat! [Alles wegen diesem Arschloch Pichlacek, der alles ausplaudern wollte!]"

„What the hell does that mean? [Was zum Teufel soll das heißen?] I don't speak fuckin' Russian!"

„Bist du verletzt?", wandte sich Yuri, der zwischen Fluchtfahrer und seinem russischen Kompagnon eingezwängt saß, an Dimitri.

Während die Chefitäten in einer schwarzen Mercedes G-Klasse raschestmöglich aus Rassatzbach Richtung Moitern an der Donau davonbrausten, mussten sich die Mordsbuben im Führerhäuschen eines „geborgten" Klein-LKW dicht aneinanderdrängen, um sich aus dem Staub am Seitenarm der Donau machen zu können; seit dem Sommer hatte es kaum mehr geregnet, der Seitenstrang der Donau führte daher nur Tiefwasser, vereinzelt waren schon kleine Sandbänke ausgeapert, sprich aufgetaucht.

Die Mordsgesellen hatten den weißen Klein-LKW von „Strada Donau", der heimischen Wasserstraßen-Servicierungs-Gesellschaft, ja nur „ausgeborgt", also mussten sie diesen schnell noch zum Bauhof zurückbringen – um sich dann endgültig nach Wien verdünnisieren zu können (hoffentlich halbwegs unproblematisch!), während die Leiter dieser Nacht-und-Nebel-Aktion, die FSB-Offiziere also, sowie die benötigten ITler (heute hat man ja am besten immer gleich einen Hacker in der Familie) Krems schon längst hinter sich gelassen hatten, und schon auf der Autobahn nach Wien waren.

Ach, ja, und in dem Mercedes saß natürlich auch noch der Oligarch Volkov – der murmelte, immer wieder, als er in Gedanken die Leerstellen, sprich die unaufgelösten Stränge durchging: „Teper politsia budet zanimatsya etim delom. [Jetzt wird sich die Polizei darum kümmern müssen.]"

Strada-Donau-Driver Dimitri hingegen brüllte jetzt aus vollem Halse – seine Mitfahrer pflichteten ihm kopfnickend bei: „Pichlacek! Pochemu ty ne mog prosto molchat?! [Pichlacek! Warum konntest du nicht einfach den Mund halten?!]"

[08:50 Uhr]

Es gab keine polizeilichen Absperrungen – gab es doch eine entsprechende (Nicht-)Weisung „von ganz oben" –, ein weißer Klein-LKW der Strada Donau fuhr den Weg somit sang- und klanglos Richtung Schranken, wo auch das Polizeiauto parkte.

Zwei uniformierte Polizistinnen standen am Ufer und sahen zu, wie der LKW über die – natürlich vorhandenen – Spuren aus der Tatnacht am Treppelweg fuhr.

Kurzum: Die Polizei vor Ort duldete es sehenden Auges, ja mit Schulterzucken, dass Spuren mit allergrößter Selbstverständlichkeit – in der am plumpesten denkbaren Weise – verwischt wurden.

Der Oligarch Volkov hatte seine Kontakte spielen lassen. Ein Anruf genügte.

[07:46 Uhr]

Es wurde immer noch planiert. Die Spuren am Treppelweg. Mit dem herbeigebrachten Klein-LKW von Via Donau, der Servicegesellschaft, in deren Aufsichtsrat Volkovs österreichische Strohmänner saßen.

Sie wussten, gleich würde der Moment kommen, wo „ein wirklicher" Strada-Donau-Mitarbeiter auftauchte – er würde sich in den Klein-Bagger setzen, und, no, na net: baggern; natürlich würde dieser sofort erkennen, dass die Leute hier im Klein-LKW von Strada Donau keinesfalls dieser angehören konnten. Die Agenten mussten sich also in ihren „Aufräumarbeiten" sputen – genau genommen ist ja die Definition einer „Nacht-und-Nebel-Aktion" die, dass Fehler, Ungenauigkeiten, ja: Ungemach in Kauf genommen werden müssen.

„Suka, my dolzhny pokonchit s etim! [Scheiße, wir müssen das zu Ende bringen!]", fluchte Boris in sein Funkgerät.

[06:44 Uhr]

Bei einem 1,90-Meter-Lackl brauchte es schon zumindest zwei, besser sogar eher drei FSB-Akteure respektive Agenten, die den toten Pichlacek zu(m) Wasser beförderten: Um die Böschung nicht zu „dekontaminieren" – dort mussten ja hierauf Spuren gefakt werden –, hievten sie den Toten über das Kanalrohr hinab zu den recht flachen Steinblöcken, wo Yuri schon stand, Dimitri hielt oben den Kopf Pichlaceks, Boris übergab die Beine an Yuri und kletterte dann auch hinunter, um seinerseits den Kopf von Dimitri oben über dem Rohr in Empfang zu nehmen. Dann trugen Yuri und Boris Pichlaceks ins Wasser.

„Podozhdite [Moment]", sagte Boris, „ya povernu ego litsom vverkh – eto nasha vizitka. [Ich drehe ihn mit dem Gesicht nach oben – das ist unser Markenzeichen.]"

„And with that, you want everyone to know it was the Russians? Are you completely insane? [Und damit willst du, dass jeder weiß, dass es die Russen waren? Bist du völlig verrückt?]", fragte Dimitri – und erhielt dafür von Boris einen giftigen strafenden Blick, der Dimitri in der Dämmerung nicht entging.

„Eto prikazanie Moskvy, mudak! [Das ist ein Befehl aus Moskau, Arschloch!]", ließ Boris zwischen den Zähnen hervorpressen.

„Mit dem Gesicht nach oben" – das war die Botschaft des FSB: „Er soll gesehen werden als Warnung für alle anderen." Bei russischen Geheimdienst-Operationen im Ausland wurden Leichen bewusst so platziert, um klarzustellen: Das passiert mit Verrätern.

Die Leichenposition war also Teil einer Einschüchterungsstrategie: „Das Gesicht nach oben" – war eine unmissverständliche Message aus Moskva.

[06:13 Uhr]

„Guten Morgen, Faki, entschuldige bitte, dass ich so früh …", ging Anna Holz nervös im gemeinsam mit ihrer Freundin Carina Wurm und eben Pichlacek bewohnten Haus in Rassatzbach auf und ab.

„Na, bin i ja selber schuld, wenn i abheb'. Was gibt's Anna?

Erste Reihe fußfrei, in der Mercedes G-Klasse – die Scheinwerfer waren auf die einzige Einstiegsstelle in diesem Bereich gerichtet – beobachtete FSB-Oberst Petrov die mühselige Kleinarbeit der Agenten am (Tat-)Ort.

„Du, der Pichlacek ist net da." „Was soll heißen: net da?", wischte sich der Bundespolizeipräsident den Schlaf aus den Augen. „Na, er is net z'Haus."

[06:02 Uhr]

Endlich war er da: Der Klein-LKW von Strada Donau. Persönlich vorbeigebracht von einem der österreichischen „Geschäftspartner" des Oligarchen Volkov.

Davor gab es unnötiges Anblaffen untereinander und blödes-stumpfsinniges Warten.

Gleich wurde mit den Planierarbeiten begonnen.

„Nu, yesli my uzhe ne zakhoranim yego – to my mozhem po kraynei mere zamesti nashi sledy [Na, wenn wir ihn schon nicht eingraben – dann können wir damit wenigstens unsere Spuren verwischen]", scherzte FSB-Oberst Petrov.

[05:53 Uhr]

Suka! Wir machen mit dem Mercedes hier viel zu viele Spuren, wirbeln zu viel Staub auf, war der allgemeine Tenor unter den russischen Agenten. Was sollen wir also machen?

In dem Moment – machina ex nihilo – kam einer von Volkovs Leuten mit einem Klein-LKW von Strada Donau daher.

„Khorosho, teper my mozhem ubrat za soboi [Gut, jetzt können wir aufräumen]", murmelte Petrov zufrieden.

[05:51 Uhr]

Jetzt fuhren sie mit dem Mercedes zum Nebenarm der Donau. Im Gepäck: der tote – inzwischen aber wieder: angezogene – Pichlacek.

[05:45 Uhr]

Jetzt ging Boris zum Kühlschrank im Gewölberaum, er fischte ein Plastiksackerl zum Kühlen von Paradeisern heraus, leerte selbige in die Abwasch – und zog das Plastiksackerl Pichlacek über.

Der schnappatmete. Immer – und immer wieder. Boris zog fester zu.

Alle anderen schauten ungerührt und wie paralysiert zu: Dimitri fing sich als erster, er stürzte herbei – und zog Boris an den Schultern zurück.

Dabei fiel Pichlacek auf den Boden: mit weit aufgerissenem Mund im Plastiksackerl und schreckgeweiteten Augen: im Angesichte seines Todes musste er seinem Mörder ins derbe slawische Antlitz schauen.

Pichlacek lief schon bläulich an: Zyanose.

„Net! [Nein!]", stieß Yuri aus. „Fuck!", schlug Dimitri Boris mit der Faust.

Das entstehende Gerangel wurde zerrissen: FSB-Oberst Petrov ging dazwischen, und ließ es erst gar nicht zu einem Handgemenge bzw. einer Schlägerei kommen.

Dimitri und Boris atmeten schwer.

„Chert! Chto nam teper delat? [Scheiße! Was machen wir jetzt?]", fragte Boris.

„Teper my dolzhny zintsenirovst yego smert [Jetzt müssen wir seinen Tod inszenieren]", sagte Petrov kalt.

„Und wie?"

Petrov lehnte sich am Parkplatz des Heurigens gegen den Klein-Bagger von Strada Donau.

„Ya uzhe znayu [Ich weiß schon]. Ya pozvonyu nashemu cheloveku v politsii. [Ich rufe unseren Mann bei der Polizei an.]"

[05:36 Uhr]

Boris lief dem flüchtenden nackten Pichlacek hinterher – und hob mit dem Baseballschläger gegen dessen rechten hinteren Oberschenkel.

Pichlacek taumelte und stürzte – schreiend griff er nach hinten, um die Hand schnell zurückzuziehen: der Angreifer hatte das Fleisch bis zum Oberschenkelknochen freigelegt, was dem Juristen höllische Schmerzen bereitete.

Noch versuchte er, weiterzurobben, doch Boris packte ihn von hinten – und schmiss ihn in das schmale Donauflussbett vor dem Heurigen.

Pichlacek kullerte – sich mehrmals überschlagend – hinunter: und stand, sehr zur Überraschung aller Akteure, gleich wieder auf.

„Boris, chto ty delayesh?! [Boris, was machst du denn hier?!]", rannte jetzt Yuri herbei.

Die Agenten kannten einander aus dem FSB-Training in Moskau, sie hatten zusammen bei den Spetsnaz eine „Sonderausbildung" absolviert, auch Dimitri war ein versierter Kämpfer und mit von der Partie.

Boris stammelte nur etwas von „Prikaz nachalstva! [Befehl der Vorgesetzten!]"

„Ah, and now you're just following orders like some Nazi? [Ah, und jetzt befolgst du einfach Befehle wie irgendein Nazi?]"

Boris blickte nur kurz auf, dann bearbeitete er Pichlacek weiter – zuerst mit dem Baseballschläger, dann mit seinen Fäusten.

Im Protokoll sollte später verzeichnet werden: Die im Obduktionsprotokoll beschriebenen Verletzungen am Kopf (Stirn/Augenbraue) rechtsseitig und in der Halsmuskulatur linksseitig können nicht anders als Folge stumpfer äußerer Gewalt verstanden werden, sehr wahrscheinlich durch Schläge – charakteristisch für FSB-Methoden.

„Ostanovites! [Aufhören!]", schrie FSB-Oberst Petrov.

Doch da war es schon zu spät. Jedenfalls: fast. Pichlacek sank auf der Böschung zu Boden.

Yuri kam herbei, und fühlte seinen ganz schwachen Puls.

Sie trugen ihn in den Heurigen – und legten ihn auf den Stammtisch.

Aus tiefster Überzeugung drängte Petrov die Geheimdienstagenten: „Sdelaim tak, chtoby eto vyglyadelo kak samoubiistvo – ili, po krayney mere, kak neschastnyy sluchay ... [Lassen wir es wie einen Selbstmord aussehen – oder wenigstens wie einen Unfall...]"

Der Nachsatz: „I! Otnesi ego v drugoye mesto. Ne ostavlyay yego zdes, v taverne roditelei etoi Anna. Otnesi yego gde-nibud yeshchyo. [Und! Bringt ihn woanders hin. Lasst ihn nicht hier liegen, beim Heurigen der Eltern dieser Anna. Bringt ihn irgendwo anders hin.]"

Die Agenten verstanden.

Yuri bemühte Google Maps, „tam my dolzhny yego ostavit [dort müssen wir ihn ablegen]".

Bloß möglichst weit weg vom Holz-Heurigen.

[05:33 Uhr]

Gerade, als das russische Hackerprogramm „Red Bear" anfing, beim Durchrechnen wirklich heiklen Dokumenten auf den Grund zu kommen – wachte der nackte Pichlacek auf.

Sehr zum Missfallen aller FSB-Akteure.

Er lief aus dem Heurigen – die anderen ihm hinterdrein.

[01:39 Uhr]

Nachdem Anna mit ihrem Auto um die Ecke gebogen war, nahm der FSB-Offizier eigenhändig die Notiz mit den handschriftlichen Passwörtern: und verbrannte sie in der Abwasch in der Küche – genauso, wie es im FSB-Handbuch für „Spurenbeseitigung" stand.

[01:20 Uhr]

Die Verbindungen Volkovs zum österreichischen Establishment waren seit Jahren Gegenstand geheimer FSB-Dossiers. Der Oligarch hatte sich ein Netzwerk aus Politikern, Beamten und Geschäftsleuten aufgebaut, das ihm praktisch Immunität in Österreich verschaffte.

Auf der Homepage des Familienheurigens Holz heißt es: „Es gibt kaum Entspannenderes, als sich mit einem Gläschen unseres ausgezeichneten Weines zurückzulehnen und die Aussicht auf die als UNESCO-Weltkulturerbe geschätzte Landschaft der Wachau zu genießen."

Was nicht drinsteht: Der Heuriger war der perfekte Ort für eine Nacht-und-Nebel-Aktion – abgelegen, diskret, und mit direktem Zugang zur Donau.

Und jetzt ging es ums Eingemachte: Pichlaceks Laptop.

„Bez parolya khakery budut iskat vechno [Ohne Passwort werden die Hacker ewig suchen]", warf der FSB-Agent ein. Darüber wunderte sich Volkov – so eine fortschrittliche russische Technik, und dann findet die nicht einmal das.

Man grübelte – und verwarf; man hatte Ideen (der Name der Freundin und Zahlencodes dazu), fand aber nichts.

„Klassiker!", jubelte Volkov, nachdem er einen in der aus Pichlaceks Barbour-Jacke herausgezogenen Geldbörse im Geheimfach hinter den Plastikkarten gefundenen Zettel mit den handschriftlichen Passwörtern entfaltet hatte.

Das Passwort zum Laptop eingegeben, erhielten sie Zugang zu Pichlaceks privatem Rechner.

Zuerst verschafften sie sich einen groben Überblick.

Dabei unterstützte sie „Red Bear" – ein vom FSB kreiertes Tool, um größere Datenmengen generell, aber auch gezielt zu durchsuchen.

(Unnötig zu erwähnen: Insgeheim kopierte natürlich die Software die Daten parallel zum Analysedurchlauf in eine FSB-Cloud in Moskau.)

[01:14 Uhr]

Das Handy zu entsperren, war dank des schriftlichen Codes jetzt ein Leichtes. Schnell löschte der FSB-Offizier die WhatsApp-Kommunikation „nach der Tankstelle", auch die Anrufliste cancelte er. Das war ja noch die einfachere Übung – gelernt in der Akademie des Auslandsgeheimdienstes.

Sofort griff der FSB-Offizier nach Vollbrachtem nun in Pichlaceks rechte Hosentasche – und holte einen USB-Stick hervor.

„Vot i yego strakhovka [Das ist also seine Lebensversicherung]", murmelte er auf Russisch.

Die nächsten Stunden waren die ITler und der FSB-Offizier damit beschäftigt, die Dokumente zu sichten. Volkov und der FSB-Offizier stritten sich jetzt um den USB-Stick aus Pichlaceks Hosentasche – dessen „Lebensversicherung", wie er unentwegt geprahlt hatte.

„My skopiruem vsyo [Wir kopieren alles]", sagte der FSB-Offizier, „no vremenem my ogranichenni [aber wir sind zeitlich begrenzt]."

„Nu, togda prosto ispolzuyem slova dlya poiska. [Na, dann verwenden wir einfach Suchbegriffe. ]", verhandelte Volkov mit dem obersten FSB-Agenten einen Deal aus.

Nach der Art Bull Shit Bingo – ihm fielen die abenteuerlichsten Querverweise in der jüngeren Geschichte Österreichs ein –, fand Volkov schließlich: „Teper vy dolzhny iskat i menya [Jetzt müsst ihr auch nach mir suchen]."

Ungefähr ein Drittel der Dokumente auf dem Laptop handelte von Volkovs österreichischen Geschäften – das ließ den Oligarchen alles andere als kalt.

„Udalit! Vsyo udalit! [Löschen! Alles löschen!]", befahl Volkov.

Das wunderte den FSB-Operationsleiter jetzt nicht, aber: nachdem sie ohnedies parallel alles nach Moskau kopierten, erfüllten sie – vorgeblich – Volkovs Herzenswunsch.

[Tageswechsel, 19. Oktober, 23:03 Uhr]

Volkov an Petrov per verschlüsselter Nachricht: „Mossad nachala operatsiyu protiv Pichlaceka. Skoro oni privlekut Sabatko. Kak nazhivku. Ya khochu uchastvovat. [Der Mossad hat eine Aktion gegen Pichlacek gestartet. Gleich holen sie Sabatko dazu. Als Köder. Ich möchte mich beteiligen.]"

Der letzte Satz war als Befehl gemeint, natürlich war Volkov zu stolz, das zu sagen.

Petrov ließ ihn nicht hängen.

Petrov an Volkov: „Razreshayu operatsiyu! [Operation genehmigt!]"

Die Moskauer Zentrale des FSB beherbergte in ihren abhörsicheren Räumen die Pläne für „Operation Stille Donau" – den Auftrag, Pichlacek zum Schweigen zu bringen, bevor er Russlands österreichische Netzwerke gefährden konnte.

Volkov wusste, dass er in Pichlaceks Schuld stand – der Jurist hatte ihm geholfen, einer Auslieferung an die USA zu entgehen. Aber wenn der jetzt auspacken wollte, war sein eigenes Leben in Gefahr.

Ausgeliefert an die USA, würde er, Volkov, möglicherweise sogar zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt werden – oder schlimmer: für den FSB wäre er dann ein Sicherheitsrisiko, das beseitigt werden müsste.

[22:57 Uhr]

Der Oligarch Volkov erhielt in seiner abhörsicheren Villa in Döbling einen verschlüsselten Anruf seines FSB-Kontakts Oberst Petrov.

Volkov beteiligte sich seit Jahren an der Finanzierung russischer Geheimdienstoperationen in Österreich – ein Netzwerk aus Geschäftsleuten, Politikern und Beamten, das Moskau wertvollen Einfluss verschaffte.

„Volkov, nash istochnik soobshchil, chto Pichlacek khochet govorit s presoy i FPÖ – i khochet unichtozhit to, chto my postroili za gody [Volkov, unsere Quelle berichtet, dass Pichlacek mit der Presse und der FPÖ sprechen will – und zerstören will, was wir über Jahre aufgebaut haben]."

„Petrov? Chto ty imeyesh v vidu? Ya ne ponimayu [Petrov? Was meinst du? Ich verstehe nicht]."

„Moya chastnaya sest razvedki soobshchila mne, chto tvoy znakomyy Pichlacek khochet vse rasskazat [Mein privates Nachrichtennetzwerk hat mir gemeldet, dass dein Bekannter Pichlacek alles erzählen will]."

„Pichlacek ne moy drug [Pichlacek ist nicht mein Freund]."

„Akh, ne drug? Ya dumal, chto drug [Ah, kein Freund? Ich dachte schon]."

„Net, ne drug, Petrov. Bud uveren: vse budet khorosho. Ya pogovoryu s nim [Nein, kein Freund, Petrov. Sei versichert: alles wird gut werden. Ich spreche mit ihm]."

„Net, net, Volkov. S etogo momenta moi lyudi berut eto delo v svoi ruki. Slishkom mnogo na konu. Ya reshu etu problemu [Nein, nein, Volkov. Ab sofort übernehmen meine Leute. Es steht zu viel auf dem Spiel. Ich löse dieses Problem]."

[22:43 Uhr]

Volkov an FSB-Zentrale Moskau per Kryptofunk: „U nas yest problema. P ne prikhoditto k nam. Ostanovlen politsiyey. Ya pozabochus ob etom [Wir haben ein Problem. P kommt nicht zu uns. Von der Polizei angehalten. Ich kümmere mich darum]."

Die Zentrale rief zurück, schnell ließen sich die Umstände über die sichere Leitung klären.

[22:35 Uhr]

Zwölf Kilometer. Als Geisterfahrer unterwegs. Bei Königsbrunn von der Schnellstraße abgebogen. In den Kreisverkehr. Leider in die falsche Richtung.

Die Polizei stoppte ihn. Den Geisterfahrer Pichlacek.

Und, Stichwort „russische Seilschaften": Die Polizei verständigte naturgemäß umgehend den Bundespolizeipräsidenten Michael „Faki" Fazekacs. Dieser wiederum – ohne zu wissen, dass er Teil eines FSB-Netzwerks war – rief bei seinem „Geschäftspartner" Volkov an.

Wahre Korruption eben. Gekaufte Freundschaft.

[19. Oktober 2023, vormittags]

Beim Empfang in der ungarischen Botschaft in Wien stehen sie bei einem Gläschen Wein zusammen – und nach einem sicher 30-minütigen intensiven Gespräch fasst sich der Geschasste ein Herz: Pichlacek bittet den FPÖ-Geschäftsführer Hafenegger, raschestmöglich einen Termin mit Parteichef Herbert Kickl zu vereinbaren.

Dem FPÖ-Chef möchte er von den Machenschaften nicht nur der ÖVP berichten, sondern vor allem von den russischen Netzwerken, in die er über die Jahre verstrickt worden war.

Im Laufe der Jahre habe er einiges an Material über bestimmte „ausländische Einflussnahme" zusammengetragen – Dossiers über russische Geldflüsse, FSB-Kontakte, Korruptionsnetzwerke.

Später würde FPÖ-Generalsekretär Hafenegger gegenüber mehreren Tageszeitungen versichern: Es sei evident gewesen, dass Pichlacek vor seinem Tod über die Machenschaften hoher russischer Kreise in Österreich auspacken wollte.

Dieser Satz Pichlaceks habe sich ihm eingebrannt: „Die Russen haben ein ganzes Netzwerk aufgebaut. Ich werde auspacken!"

In Moskau registrierte der FSB jedes Wort. Somit war Pichlaceks Schicksal besiegelt.

KEIN ENDE, SONDERN ERST DER ANFANG

Der FSB vergisst nicht.
Der FSB vergibt nicht.
Der FSB rächt sich.

 

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Sollten wir Ihr Interesse durch diese Quasi-Alternativerzählung geweckt haben, zögern Sie nicht, „das Original“ zu konsultieren: www.story.one/de/book/pichlaceks-ende-im-ruckwartsgang/